Projekt „Herzklopfen”: Wenn die FFW mit dem Defibrillator ausrückt

Das BRK, die Integrierte Leitstelle Regensburg und die Kreisbrandinspektion Cham arbeiten ab 1. April ein Jahr lang bei einem besonderen Modellversuch zusammen. Ehrenamtliche Feuerwehrkräfte werden ab diesem Tag in ausgewählten Gebieten des Landkreises Cham per Handy-App alarmiert, um Menschen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu reanimieren. Das Ganze geht auf Ideen von BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer während seiner Studienzeit zurück. Ziel ist es, die Rettungskette weiter zu verkürzen und Feuerwehrleute durch Schulungen dazu zu befähigen, in ihren Heimatorten mit dem Defibrillator Hilfe leisten zu können.

Von Frank Betthausen

Cham. Es ist bald 20 Jahre her, da saß Dominik Lommer im Studium über einer Semesterarbeit. Der heutige BRK-Rettungsdienstleiter beschäftigte sich mit der Frage, wie die Überlebenssituation von Menschen im Flächenlandkreis Cham durch Früh-Defibrillation verbessert werden könnte. Im Frühjahr 2022 werden seine Ideen von damals Realität. Sie münden in das Projekt „Herzklopfen“, über das ab 1. April ehrenamtliche Feuerwehrkräfte in ausgewählten Gebieten per Handy-App alarmiert werden, um Menschen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu reanimieren.

„Nach zehn Minuten hat man bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand eine Überlebenswahrscheinlichkeit von null Prozent.“ BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer

Am Mittwoch stellten das BRK, die Kreisbrandinspektion Cham und die Integrierte Leitstelle Regensburg, die das Konzept als Partner erarbeitet hatten, die Details der Öffentlichkeit vor.

Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Rettungskette weiter zu verkürzen und Feuerwehrleute durch Schulungen dazu zu befähigen, in ihren Heimatorten mit dem Defibrillator Hilfe leisten zu können. So soll wertvolle, buchstäblich überlebenswichtige Zeit überbrückt werden, die Rettungsdienste wie das BRK oder die Malteser zur Anfahrt an die Einsatzstelle benötigen.

Wie essentiell es ist, schnell zu reagieren, zeigte Lommer drastisch auf. „Nach zehn Minuten hat man bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand eine Überlebenswahrscheinlichkeit von null Prozent. Und zehn Minuten brauchen wir beispielsweise von Cham oder Bad Kötzting aus nach Zandt.“

Genau hier treten die Kräfte der ortsnahen Feuerwehren auf den Plan. Wie der Rettungsdienstleiter bei der Auftakt-Veranstaltung im Hof der BRK-Kreisgeschäftsstelle in Cham erläuterte, nehmen an dem vorerst auf ein Jahr befristeten Versuch Kameraden aus Arnschwang, Gleißenberg, Großaign, Miltach und Zandt teil. Für den Bereich Neukirchen b. Hl. Blut laufen noch Gespräche mit der Feuerwehrspitze. Die örtliche Bergwacht ist ab 1. April sicher mit an Bord.

Denn: In den genannten Gegenden sollen bei dem Projekt künftig interessierte Ehrenamtliche der Rot-Kreuz-Gemeinschaften hinzustoßen, wie Lommer erklärte. Neben den Bergrettern werden es qualifizierte Mitglieder der Wasserwacht und der Bereitschaften sein, die sich auf freiwilliger Basis einbringen.

Wichtig war es dem BRK-Mann, in diesem Zusammenhang klar einzuordnen: „Wir reden nicht von fünf oder sechs zusätzlichen Helfer-vor-Ort-Standorten.“ Und: Es gehe ausschließlich um Fälle von Herz-Kreislauf-Stillstand und keine anderen Einsatzlagen.

„Auch aus Pietätsgründen“

In der Praxis sollen ab April maximal drei Kräfte alarmiert werden. „Auch aus Pietätsgründen“ und mit Blick auf möglicherweise betroffene Angehörige sollen es laut Lommer keinesfalls mehr Beteiligte sein. Die Feuerwehrkameraden erhalten nach seinen Angaben über das BRK und Kreisfeuerwehrarzt Dr. Stefan Enderlein eine Grundausbildung, „damit wir qualitätstechnisch auf der sicheren Seite sind“.

Der Rettungsdienstleiter dankte dem Further Allgemeinmediziner in besonderer Weise. Enderlein habe auf Feuerwehrseite den größten Aufwand gehabt. Der stellvertretende BRK-Kreisgeschäftsführer zollte außerdem allen Feuerwehrlern seinen Respekt, die bereit seien, sich beim Thema Früh-Defibrillation einzubringen und sich mit BRK-Aktiven „nicht nur an einen Tisch, sondern auch in ein Fahrzeug zu setzen, um Patienten Hilfe zuteilwerden zu lassen“.

Die Aufgabe sei grundsätzlich gar nicht so einfach. „Ich könnte jetzt nicht so ohne weiteres löschen“, erklärte er mit einem Augenzwinkern in Richtung der Floriansjünger, die mit Kreisbrandrat Michael Stahl an der Spitze zum BRK gekommen waren, um den Startschuss für die besondere Kooperation zu geben.

Mit dem Vorhaben, verdeutlichte Lommer, gehe es auch darum, den Fokus wieder auf die Breitenausbildung zu richten.

„Wenn wir einen Menschen mehr pro Jahr retten würden, wäre mein Wunsch schon in Erfüllung gegangen. BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer

Über die Aktion „Herzklopfen“ sollen nach seinen Worten die Bevölkerung und damit Angehörige oder Nachbarn vor Ort dafür sensibilisiert werden, wie wichtig es sei, selbst lebensrettende Hilfe zu leisten, statt auf den Rettungsdienst zu warten. „Wenn wir einen Menschen mehr pro Jahr retten würden, wäre mein Wunsch schon in Erfüllung gegangen“, sagte Lommer.

Begleitung über eine Masterarbeit

Anerkennende Worte fand er bei dem Termin auch für die seit Jahren ehrenamtlich tätige Rot-Kreuz-Aktive Isabell Alt, die das Projekt in ihrer Masterarbeit wissenschaftlich begleiten wird. Manfred Ruß sei in der Kreiseinsatzzentrale tätig und unterstütze die Verantwortlichen bei der Umsetzung der Alarmierung über die Handy-App. Alexander Frey, dessen Firma die Anwendung entworfen hatte, habe für seine Tätigkeit rund um das Projekt keinerlei Geld verlangt, erwähnte Lommer.

BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner hielt den Namen „Herzklopfen“ in seiner Rede schon allein deshalb für passend, weil das Thema seit Beginn an ein Herzensanliegen von Dominik Lommer gewesen sei. „Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Infrastruktur auf den Weg gebracht werden kann“, sagte der frühere BRK-Präsident.

Sie helfe, Leben zu retten und trage dazu bei, dass im Ernstfall schnell eingegriffen werden könne.

„Ich bitte alle Organisationen, mitzumachen, und die Kommunen, uns unterstützen.“ BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner

„Ich bitte alle Organisationen, mitzumachen, und die Kommunen, uns unterstützen“, richtete Zellner einen Appell an die gesamte Region. So, wie er sich von den Menschen im großen Flächenlandkreis Cham wünschte, „dass sie sich dieses Themas annehmen“.

Landrat Franz Löffler hielt die Hilfesysteme in der Region – nicht zuletzt ergänzt um die neue Notaufnahme der Sana Kliniken in Cham – „für ziemlich gut aufgestellt“. Die Hilfsfrist von zwölf Minuten werde im Rettungswesen in einem ganz hohen Grad eingehalten. „Dennoch gibt es Situationen, in denen es gut wäre, wenn die Hilfe innerhalb dieser zwölf Minuten noch früher einsetzen würde“, meinte er.

Um sich in diesem Punkt anders aufstellen zu können, braucht es in den Augen Löfflers „Kompetenz und Menschen, die sich trauen“. Hier kämen die bestehenden Strukturen des Feuerwehrwesens ins Spiel, die an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden täglich verfügbar seien.

Der Landrat verhehlte nicht, dass er sich durchaus kritisch gefragt hatte, ob ein Projekt wie das am Mittwoch vorgestellte das Feuerwehrsystem überfordern könnte.

Doch letztendlich sei die Antwort aus den Reihen der Feuerwehren beeindruckend gewesen. „Warum sollen wir uns nicht nochmal in eine Situation hineinbegeben, wenn wir Menschen helfen können?“, lautete die Gegenfrage an das Landkreis-Oberhaupt.

„Ich bin wirklich demütig ob dieser großen Verlässlichkeit unserer ehrenamtlichen Strukturen“, hielt Löffler fest, den es begeisterte, dass auf dieser Grundlage wieder einmal professionelle Hilfe gewährleistet werden könne. „Das ist der Ansatz – sonst könnten wir es nicht schaffen“, meinte der CSU-Politiker.

Mit ehrenamtlichen Strukturen, lautete sein Fazit, werde „das ganze System noch einmal auf eine andere Stufe gestellt“. So könnten noch einmal deutliche Verbesserungen für die Menschen herbeigeführt werden.