Bilder, die nach außen kehren, was psychisch Erkrankte in sich tragen

Frank Betthausen
Markus Rappl (rechts), der Leiter des BRK-Hauses am Klosterberg, dankte seiner Mitarbeiterin Alexandra Lacher für ihr Engagement rund um die Ausstellung. Die Einführungsrede bei der Vernissage hielt stellvertretender BRK-Kreisvorsitzender Dr. Hans Schneider (links).

Eine Bilder-Ausstellung im BRK-Haus am Klosterberg, die noch bis 4. Dezember zu sehen ist, holt die Gefühle, Ängste und Gedanken Betroffener ans Licht. Die Schau soll aufklären und Erkrankungen entstigmatisieren. „Wenn wir hier durchgehen und ehrlich mit uns selbst sind, können wir mehr als einmal sagen: Eine Neigung wie diese oder ein Problem wie dieses sehe ich bei mir auch", betonte der stellvertretende BRK-Kreisvorsitzende Dr. Hans Schneider in seiner Eröffnungsrede.

Von Frank Betthausen

Cham. Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, führt in sich und im Kontakt zu seiner Umgebung Kämpfe, von denen sich seine Mitmenschen selten eine Vorstellung machen können. Eine am Donnerstag eröffnete Bilder-Ausstellung im BRK-Haus am Klosterberg holt die Gefühle, Ängste und Gedanken Betroffener ans Licht und vermittelt ihrer Umwelt einen starken, nachvollziehbaren Eindruck von ihren Belastungen und Empfindungen.

An dem Kunstprojekt „Einblick“, das die „Außenwelt“ und die „Innenwelt“ Betroffener für den Betrachter sichtbar machen soll, wirkten elf Klienten der BRK-Einrichtung mit. Die Hobbykünstler setzten, initiiert und konzeptionell begleitet von Rot-Kreuz-Mitarbeiterin Alexandra Lacher, 21 Themenbereiche gestalterisch um. 

Ein Aufruf zur Solidarität

Die Besucher nehmen dabei nicht nur starke bildliche Impressionen mit nach Hause. Sie erhalten – verständlich aufbereitet – über erklärende Texte auch Informationen über Krankheitsbilder wie die bipolare Störung, die Angststörung oder die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung.

Die Ausstellung im großen Veranstaltungsraum hat so vor allem das Ziel, aufzuklären, um psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. Sie kann bis zum 4. Dezember besichtigt werden – montags bis donnerstags jeweils von 13 bis 16 Uhr.

Dr. Hans Schneider, der stellvertretende BRK-Kreisvorsitzende, hielt bei der Vernissage am Donnerstagnachmittag die Einführungsrede und wertete die Schau als einen Aufruf zur Solidarität. Und: Er sah darin den Appell, sich mit sich selbst und den eigenen inneren Themen zu beschäftigen.

 Meine These ist eigentlich nicht, dass die einen gesund sind und die anderen krank. Meine These lautet: Jeder ist davon betroffen. 

Stellvertretender BRK-Kreisvorsitzender Dr. Hans Schneider

„Wenn wir hier durchgehen und ehrlich mit uns selbst sind, können wir mehr als einmal sagen: Eine Neigung wie diese oder ein Problem wie dieses sehe ich bei mir auch. Wer beispielsweise kann schon sagen, dass er immer im Gleichgewicht ist? So gesehen sind wir alle Brüder und Schwestern“, betonte der frühere Chefarzt der Anästhesie am Chamer Krankenhaus. 

Die Hauptbotschaft der Ausstellung erkannte der 79-Jährige vor diesem Hintergrund darin, „die Probleme der Betroffenen zu verringern – so wie andere uns helfen, wenn wir in einer belasteten Situation sind“.

Über die präsentierten Werke – sie waren alle über die im Haus am Klosterberg betreuten Kreativangebote entstanden – sah Schneider die Möglichkeit, sich ein Bild davon zu machen, was die Menschen dahinter bewege oder bewegt habe. Die Künstler hätten den Mut gefunden, sich selbst auszudrücken und forderten die Besucher dazu auf, sich damit auseinanderzusetzen.

Frank Betthausen
Die Besucher nehmen nicht nur starke bildliche Impressionen mit nach Hause. Sie erhalten – verständlich aufbereitet – über erklärende Texte auch Informationen über Krankheitsbilder wie die Angststörung (unser Foto).

Mit Blick auf wissenschaftliche Untersuchungen, nach denen jedes Jahr mehr als 30 Prozent der 18- bis 79-Jährigen in Deutschland von einer psychischen Erkrankung betroffen sind, ging Schneider davon aus, dass binnen drei Jahren statistisch betrachtet jeder aus dieser Personengruppe mit dem Thema konfrontiert sein werde.

„Meine These ist eigentlich nicht, dass die einen gesund sind und die anderen krank. Meine These lautet: Jeder ist davon betroffen“, betonte er deswegen. Zu sagen „Hier sind die Kranken, hier sind die Gesunden“, führe häufig dazu, dass die einen nichts mit den anderen zu tun haben wollten. „Wenn ich aber sage, wir sind alle Betroffene, schafft das eine Verbindung und stellt eine natürliche Brücke her“, meinte der BRK-Funktionär.

Eine Gestalt im Außen

Hier setze die Ausstellung in besonderer Weise an. Über sie gelinge es, sich in die Welt psychisch Erkrankter einzufühlen. „Dazu ist Kunst eine wunderbare Einrichtung, denn wenn ein Künstler etwas aus sich herausholt, schöpft er aus seinem Inneren und stellt es vor sich hin. Der Künstler muss sich mit seiner Situation auseinandersetzen. Er muss sich fragen ‚Was finde ich in mir vor' – und er muss eine Gestalt finden, über die er es nach außen trägt“, erklärte Schneider.

Ein eindrückliches Beispiel sah er hier in einem der ausgestellten Werke, das einen Alkoholkranken – gefangen in einer Flasche – zeigt. Der Künstler vermittele eine klare Erkenntnis über seinen Zustand und beschönige nichts, meinte der 79-Jährige. „Und trotzdem ist es unendlich schwer, diesen Zustand zu beenden.“

 Bei allen Veranstaltungen, die wir durchführen, ist es dem ganzen Team und mir immer besonders wichtig, dass die Menschen, für die es das Haus am Klosterberg gibt, anwesend sind. 

Einrichtungsleiter Markus Rappl

Es sind persönliche Erfahrungen und Empfindungen wie diese, die in den Augen von Markus Rappl „ein Verstehen von psychisch erkrankten Menschen fördern – und daraus resultierend eine Grundhaltung der Akzeptanz“.

„Bei allen Veranstaltungen, die wir durchführen“, erklärte der Leiter des Hauses am Klosterberg in seiner Begrüßungsrede, „ist es mir und dem ganzen Team immer besonders wichtig, dass die Menschen, für die es das Haus am Klosterberg gibt, anwesend sind: die Menschen, die bei uns in Beratung sind, die das Tageszentrum besuchen, die im Betreuten Einzelwohnen begleitet werden – und speziell die Angehörigen“.

Neben ihnen nahmen an der Vernissage zu Rappls großer Freude auch Kooperationspartner und Fachkollegen teil. Sie hatten am Ende des offiziellen Teils die Möglichkeit, bei einem von Alexandra Lacher geführten Rundgang mehr über die ausgestellten Motive zu erfahren – auch im direkten Austausch mit den Künstlern.

„Als Stärkung für zwischendurch“ war für die Gäste ein Büfett mit Häppchen und Getränken – unter anderem mit alkoholfreiem Apfel- und Birnenpunsch – aufgebaut.

Frank Betthausen
An dem Kunstprojekt „Einblick“ wirkten elf Klienten des Hauses am Klosterberg mit. Die Künstler setzten 21 Themenbereiche gestalterisch um.

Die Ausstellung im Haus am Klosterberg

  • Jubiläum: Das BRK-Haus am Klosterberg in der Chamer Ludwigstraße besteht heuer seit 25 Jahren. Die Kunstausstellung „Einblick“ – stellvertretender BRK-Kreisvorsitzender Dr. Hans Schneider bezeichnete sie als „Krönung des Jahres“ – ist die vierte und abschließende Veranstaltung im Jubiläumsprogramm.
     
  • Initiatorin: Die Idee für das Kunstprojekt stammte von Rot-Kreuz-Mitarbeiterin Alexandra Lacher. Sie setzte es zusammen mit den Künstlern konzeptionell um, wofür ihr Einrichtungsleiter Markus Rappl herzlich dankte.
     
  • Anfänge: Die Anfänge der Konzeption gehen auf den Februar 2018 zurück. Wie so viele Vorhaben bremste die Corona-Pandemie das Ganze lange aus. „2025 konnte die Initiative endlich fertiggestellt werden“, freuten sich Lacher und Rappl am Donnerstag.
     
  • Ziel: Wie es in einem Begleittext heißt, hatte das Projekt – am Ende sollte von Beginn an eine Ausstellung stehen – unter anderem das Ziel, „öffentliche Diskussionen anzuregen, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und damit die Akzeptanz psychisch kranker Menschen in der Gesellschaft zu fördern“.
     
  • Öffnungszeiten: Die Schau im Veranstaltungsraum des Hauses am Klosterberg – Markus Rappl hofft darauf, „dass das Thema auch Lehrer und Schulklassen anspricht“ – ist bis Donnerstag, 4. Dezember, zu sehen (montags bis donnerstags jeweils von 13 bis 16 Uhr).
     
  • Aktionen: Im Anschluss sollen die Bilder in der BRK-Einrichtung Verwendung finden. „Eventuell für weitere Aktionen oder eine Art Dauerausstellung – etwa in den Fluren“, erläuterte Alexandra Lacher.