Dieses Projekt hat ihren Blick aufs Essen und ihren Alltag verändert

Petra Baumann arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Pflege. Beim Thema Ernährung hat sie im Dienst lange Zeit geschludert und kaum auf sich geachtet. „Meistens war es ein Herunterschlingen ohne Genuss", erzählt die stellvertretende Pflegedienstleiterin des BRK-Pflegezentrums Furth im Wald. Seit Ende Mai hat sich für sie vieles – wenn nicht sogar alles – verändert. Wer das erreicht hat? Die Diätassistentin Annika Bosek! Sie begleitet die Belegschaft der BRK-Einrichtung in der Dr.-Adam-Voll-Straße über die Initiative „Mein Körper – Mein Essen“ auf ihrem Weg zu einem gesünderen Lebensstil. Die Techniker Krankenkasse fördert das Projekt mit fast 7000 Euro.

Von Frank Betthausen

Furth im Wald. Beschreibt Petra Baumann ihr Essverhalten von früher, spricht sie vom berühmten Hamsterrad. Seit 31 Jahren arbeitet sie in der Pflege. „Da musste es unter der Arbeit oft schnell, schnell gehen. Meistens war es ein Herunterschlingen ohne Genuss. Die Bewohner haben Bedürfnisse, die als wichtiger angesehen werden als die eigenen. Hauptsache, man hat wieder die Energie, für den nächsten da zu sein“, sagt die stellvertretende Pflegedienstleiterin des BRK-Pflegezentrums Furth im Wald.

Seit einigen Wochen ist das anders. Baumanns Blick auf das Thema und ihren Körper hat sich völlig verändert.

„Wir wollen einen Teil dazu beitragen, dass das auch in die Köpfe hineingeht und die Betriebe bei der Entscheidung für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement unterstützen.“ Christian Bredl, Leiter der Landesvertretung München der Techniker Krankenkasse

Sie hat ein neues Bewusstsein für ihre Bedürfnisse und das entwickelt, was ihr guttut. Ja, sie achtet viel mehr auf sich als noch vor ein paar Monaten.

Wer das erreicht hat? Annika Bosek, selbstständige Diätassistentin aus Furth im Wald! Sie begleitet die Belegschaft der Further BRK-Einrichtung seit Ende Mai über das Ernährungs-Projekt „Mein Körper – Mein Essen“ auf ihrem Weg zu einem gesünderen Lebensstil. „Ich bin begeistert, von dem, was sie mir gesagt hat“, berichtet Baumann über die Zusammenarbeit mit Bosek, für die es eine Förderung der Techniker Krankenkasse (TK) in Höhe von fast 7000 Euro gab.

„Starke Pflege“ als Programm

Die unterstützt über ihr Programm „Starke Pflege“ seit etwa zwei Jahren stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser beim Aufbau gesundheitsfördernder Strukturen – immer mit dem Ziel, die Prävention zu stärken, wie Christian Bredl, Leiter der Landesvertretung München der TK, bei der symbolischen Übergabe des Förderbescheids an BRK-Kreisvorsitzenden Theo Zellner bekräftigt.

„Wir brauchen gesundheitsfördernde Strukturen für die Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen“, betont Bredl bei dem Termin in Furth im Wald, an dem auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder teilnimmt. Die Belastung der Pflegenden sei gravierend – in Zeiten, in denen ohnehin in allen Bereichen Fachkräftemangel herrsche, sagt der Vertreter der Krankenkasse.

Personal gewinnen und halten

„Alles, was wir an Hilfestellungen geben können, dient dazu, dass wir die Situation ein Stück weit verbessern. Wir wollen einen Teil dazu beitragen, dass das auch in die Köpfe hineingeht und die Betriebe bei der Entscheidung für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement unterstützen.“

Theo Zellner weiß er beim Thema Vorbeugung voll an seiner Seite. „Was man präventiv verhindern kann, ist immer günstiger, als hinterher Krankheit behandeln zu müssen. Alles, was präventiv gemacht wird, ist bestens angelegtes Geld“, erklärt der BRK-Kreisvorsitzende, für den es gerade in der Pflege mehr denn je darum geht, Personal nicht nur zu gewinnen, sondern „durch entsprechende Rahmenbedingungen“ auch zu halten. Sie seien entscheidend.

Es geht längst nicht nur ums Geld

„Da geht es nicht nur um Geld“, sagt der langjährige BRK-Präsident. „Da geht es um Arbeitszeiten genauso wie um das, was das BRK anbieten kann, damit für das Personal die Belastung, die ohne Frage da ist, erträglicher gestaltet werden kann“, meint er. Ein Teil der Bemühungen sei das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM), zu dem Zellner den Bereich der Ernährung und das in Furth im Wald gestartete Projekt zählt.

BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner verweist auf die „sehr guten Erfahrungswerte“, die das BRK seit gut sieben Jahren bei dem Thema mache – insbesondere in der Pflege und vor allem auch durch die enge Kooperation mit der Technischen Hochschule Deggendorf. BGM, erklärt Aschenbrenner, dürfe bei all dem nicht von oben herab betrachtet werden, sondern müsse von unten wachsen und gedeihen.

Mitgarantieren solle das beim BRK Cham der neue BGM-Beauftragte Andreas Nöth, der am 1. Februar seine Arbeit aufgenommen habe. „Er hat hier bereits einiges angeschoben – und mit dem Thema Ernährung haben wir in Furth im Wald einen Volltreffer gelandet“, sagt der Kreisgeschäftsführer.

Marianne Schieder, Chefin der bayerischen Landesgruppe der SPD im Bundestag, zeigt über aktuelle Zahlen den Bedarf auf, die Pflege weiter stark im Fokus zu behalten. In Deutschland gebe es vier Millionen Pflegebedürftige: eine Million in stationären Einrichtungen und drei Millionen in privater Pflege. In acht Jahren sei nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Verdoppelung der zu Pflegenden zu erwarten, die gestemmt werden müsse.

„Jetzt gehen alle mit viel Input, einem gewissen Anreiz und einem eigenen Ziel in den Sommer.“ Annika Bosek, Diätassistentin

„Wir haben einige Verbesserungen durch die letzten gesetzlichen Änderungen erreichen können, aber das ist bei weitem nicht das, was man bräuchte“, sagt die Abgeordnete aus Wernberg-Köblitz vor diesem Hintergrund. Allerdings seien die Finanzmittel begrenzt. Ein Argument für Marianne Schieder, weitreichende Veränderungen anzustoßen. „Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen, ob das Grundkonzept, auf dem die Pflegeversicherung aufgebaut ist, noch Standard ist“, sagt sie.

Annika Bosek stellt bei dem Termin im BRK-Pflegezentrum in der Dr.-Adam-Voll-Straße ihr von der TK gefördertes Projekt „Mein Körper – Mein Essen“ vor, das sie als externe Partnerin mit Heimleiter Stefan Hupf und Pflegedienstleiterin Elisabeth Nachreiner auf die Einrichtung zugeschnitten hatte. Ihr Ansinnen war es dabei, „so individuell, wie es in der Prävention nur möglich ist“, vorzugehen.

30-Minuten-Einzelgespräch als Geschenk

Die Resonanz darauf war riesig. 40 Mitarbeiter der Einrichtung bekundeten ihr Interesse, daran mitzuwirken. Für jeden von ihnen – es war der erste von drei Projekt-Bausteinen – fand zwischen Ende Mai und Ende Juni eine Gesundheitsmessung mit einer Körperanalysewaage statt. Jeder Beschäftigte bekam laut Bosek „insgesamt 30 Minuten vom Arbeitgeber geschenkt“, in denen in einem Einzelgespräch neben der Auswertung der Messung auf persönliche Themen und Fragestellungen eingegangen werden konnte.

Teil zwei der Gesundheits-Initiative war als Gruppenveranstaltung mit Workshop-Charakter konzipiert. Die beiden Termine dienten dem intensiven Austausch untereinander. Grundlage waren die 40 Vorabgespräche, bei denen die Diätassistentin – ihr Schwerpunkt liegt auf der Ernährungspsychologie – fünf Hauptthemen herausgefiltert hatte.

Offene, vertrauensvolle Atmosphäre

„Jetzt gehen alle mit viel Input, einem gewissen Anreiz und einem eigenen Ziel in den Sommer“, erläutert Bosek, die lobende Worte für die offene, vertrauensvolle Atmosphäre im Further Pflegezentrum findet. Der dritte Teil des Projekts ist nach ihrer Darstellung im Herbst geplant.

Ende Oktober, Anfang November wird sie abermals mit allen Mitarbeitern halbstündige Gespräche führen und bei einer weiteren Körperanalyse messen, welche Veränderungen sich seit dem Frühjahr im Alltagsleben der Rot-Kreuz-Beschäftigten ergeben haben.

Christian Bredl imponiert vor allem der individuelle Charakter von Boseks Arbeit. Darüber hinaus bekundet er den Beschäftigten in der Drachenstich-Stadt und in der Pflege generell seinen „größten Respekt“ für ihre Leistungen. Mit einem klaren Verweis darauf, dass der Beruf immer von menschlicher Nähe leben müsse. „Wir diskutieren über Digitalisierung und Robotik. Das ist alles unterstützend, aber nicht ersetzend. Die warme Hand pflegt!“, betont er.