Eine BRK-Delegation besuchte Kirgisistan, die Heimat von Elvira und Aika. Die beiden jungen Frauen kamen vor zwei Jahren in den Landkreis Cham, um beim BRK in Waldmünchen ihre Pflege-Ausbildung zu absolvieren. Die Begegnung und die Gespräche mit ihren Müttern berührten Heimleiter Stefan Paa extrem. „Das zeigt dir deine Verantwortung, wenn du als Eltern-Ersatz gesehen wirst", sagt er.
Von Frank Betthausen
Cham. Stefan Paa ist immer noch ergriffen. Als er von den Momenten beim Mittagessen in Tokmok erzählt, bekommen seine Augen einen feuchten Schimmer. In einem Restaurant in der kirgisischen Stadt traf der Waldmünchner BRK-Heimleiter Ende Mai die Mütter seiner Mitarbeiterinnen Elvira Bekturganova und Aizhamal – kurz Aika – Mambetalieva.
„Aikas Mama – wir waren an diesem Tag eingeladen, das war unseren Gastgebern wichtig – verwendete einen wunderschönen, treffenden Vergleich“, erinnert sich Paa. „Sie sagte: Wenn die Töchter bei uns in Deutschland sind, dann sind meine Pflegedienstleiterin Ramona Schwab und ich für die beiden die Eltern.“
Der Rot-Kreuz-Mitarbeiter sammelt sich für zwei, drei Sekunden. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. „Das zeigt dir deine Verantwortung, wenn du als Eltern-Ersatz gesehen wirst, weil deine Kinder 6500 Kilometer entfernt auf einem anderen Kontinent arbeiten. Das ist schon sehr berührend.“
Es waren emotionale Eindrücke wie diese, es war der Austausch mit den Familien und den BRK-Partnern vor Ort, der den Aufenthalt in Zentralasien nicht nur für Paa, sondern auch für BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner, stellvertretenden BRK-Kreisvorsitzenden Dr. Hans Schneider und BRK-Personalleiterin Sandra Nachreiner zu etwas Besonderem machte.
„Sie bringen dieses Gefühl mit, dass man sich um alte Menschen kümmert. Das ist unglaublich wertvoll.“
Heimleiter Stefan Paa über seine kirgisischen Mitarbeiter
Auf Einladung der Botschaft der Kirgisischen Republik in Berlin war die Delegation aus dem Landkreis für fünf Tage in das Land eingeladen. Ziel war es, wie es Botschafter Omurbek Tekebaev in einem offiziellen Schreiben an den Kreisverband formulierte, „Partnerschaften weiter zu stärken, Treffen mit relevanten staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen durchzuführen sowie den fachlichen Austausch im Bereich der sozialen Betreuung und Pflege zu vertiefen“.
Hintergrund: Das Rote Kreuz in Cham beteiligt sich seit rund zwei Jahren an einem internationalen Ausbildungsprojekt des Landkreises, der Agentur für Arbeit, der Volkshochschule und der Wirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Staat Kirgisistan.
Sieben junge Menschen von dort gehen derzeit beim BRK ihrer Arbeit nach. In Waldmünchen sind es neben Elvira und Aika, die bereits ausgelernt haben, zwei weitere Azubis, im BRK-Seniorenwohn- und Pflegeheim in Bad Kötzting drei. Zum September kommen noch einmal vier Beschäftigte hinzu.
Stefan Paa ist voll des Lobes über seine asiatischen Mitarbeiter, in deren Heimat alte Menschen im Normalfall wie früher hierzulande zu Hause gepflegt werden. „Unsere Kirgisen kommen mit guten Deutschkenntnissen, sind sehr freundlich und hilfsbereit“, sagt der Heimleiter. „Sie bringen dieses Gefühl mit, dass man sich um alte Menschen kümmert. Das ist unglaublich wertvoll.“
Rückmeldungen dieser Art gaben die Chamer ihren Gastgebern reichlich. „Durch unseren Besuch haben die Verantwortlichen eine unglaubliche Reputation für das Thema Deutschunterricht an den Schulen erlangt“, meint Manfred Aschenbrenner.
Ihm war es ein Anliegen, den Vertragspartnern, mit denen der Kreisverband seit mehr als zwei Jahren in Verbindung sei – allen voran der Verein „Innovative Entwicklung“ mit Vorstandsvorsitzendem Azamat Imankulov und Projektkoordinatorin Ilmira Mamytova –, die entsprechende Wertschätzung entgegenzubringen und die Strukturen in Kirgisistan kennenzulernen.
„Wir wussten, dass wir Verantwortung mitbringen – und ich denke, wir sind mit noch mehr Verantwortung heimgekommen. Aus Partnern wurden Freunde.“
BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner
„Wir sind unwahrscheinlich netten, gastfreundlichen und zuvorkommenden Menschen begegnet“, hält der Kreisgeschäftsführer fest. Der Reisezeitpunkt war nach seinen Angaben „vor dem neuen Ausbildungsjahr strategisch sehr sinnvoll“. Es sei enorm wichtig und hilfreich gewesen, die Akteure direkt zu treffen – egal, ob es die Schulverantwortlichen, die Deutschlehrer oder die Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes oder des Roten Halbmonds gewesen seien.
„Wir wussten, dass wir Verantwortung mitbringen – und ich denke, wir sind mit noch mehr Verantwortung heimgekommen. Aus Partnern wurden Freunde“, meint Aschenbrenner, der sich „sehr auf die nächsten Auszubildenden im September freut“. Die Pflegekräfte, mit denen die Chamer Entscheider in einer Vermittlungsagentur vor Ort Vorstellungsgespräche führten, werden wieder auf die BRK-Heime in Waldmünchen und Bad Kötzting aufgeteilt.
Wissen und große Disziplin
Sowohl bei diesen Terminen als auch bei anderen Besichtigungen und Treffen war Sandra Nachreiner begeistert davon, „welches Wissen und welche Disziplin diesen jungen Menschen vermittelt wird“.
Die Offenheit und der Mut, mit dem sie in die Welt hinausgingen, seien beeindruckend. „Sie lernen Russisch, Englisch, zum Teil Chinesisch, Deutsch, manche auch Türkisch… Wir sind Schülern begegnet, die drei, vier oder fünf Sprachen sprechen. Das nötigt einem wirklich Respekt ab“, sagt die Personalchefin.
Der Austausch in Kirgisistan sei sehr informativ und wertvoll gewesen und werde sich definitiv positiv auf die weitere Zusammenarbeit auswirken, „weil das Verständnis beiderseits vertieft wurde“, meint Nachreiner.
Ihr lag es am Herzen, den jungen Interessenten und den Verantwortlichen zu vermitteln, „wie essenziell gute Sprachkenntnisse sind“. Gleichzeitig nahm sie das wichtige Gefühl mit zurück in die Oberpfalz, dass die Eltern der Auszubildenden wissen möchten, dass ihre Kinder in Deutschland gut aufgehoben sind.
„Wir haben ihnen bescheinigt, dass sie hier gute Arbeit leisten – auch in der Schule. Und wir haben ihnen erläutert, dass sie die Tradition ihres Heimatlandes auch dann im Herzen haben, wenn sie 6500 Kilometer entfernt leben. Dass sie ihre Offenheit hier genauso in sich tragen und Kirgisistan lebendig repräsentieren. Dass sie gut zu uns passen, weil auch wir unsere Werte und Traditionen haben. Es ist ein Geben und Nehmen, über das Freundschaften entstehen“, betont die Leiterin der Personalabteilung.
Ungeheure Vertrauensbasis
Dr. Hans Schneider reagierte ebenfalls beeindruckt auf „die ungeheure Vertrauensbasis der Eltern“, die sie den Partnern in Cham gegenüber hätten. „Für sie ist das nicht einfach, die Kinder in den Westen loszulassen“, meint der stellvertretende BRK-Kreisvorsitzende, der die Gastfreundschaft an allen Tagen als „einladend und ausdrücklich“ erlebte. „Wir haben keinen Mittag verbracht, ohne dass wir zu einem üppigen Mahl eingeladen wurden“, sagt er.
Wie der stellvertretende Kreisvorsitzende lobt Sandra Nachreiner die einheimische Küche. „Allein vom Tee und den Nachspeisen, vom Obst und den Früchten hättest du dich ernähren können“, schwärmt sie.
Deutlich mehr auf dem Speiseplan stand allerdings Fleisch. Denn wie beschreibt es ein altes kirgisisches Sprichwort laut Stefan Paa? „Zuerst kommt der Wolf, dann der Kirgise. – Fleisch essen sie in diesem Land in allen Variationen. Die Tische sind dort über und über voll.“ Ganz wichtig sei bei all dem das Brot. „Das musst du immer und überall probieren, um die Kunst der Hausfrau zu würdigen – sogar an den Schulen, an denen wir waren“, erzählt der Heimleiter.
Bei der Bedeutung, die das Essen für die Kirgisen hat, wundert es wenig, dass Hans Schneider ein Ritual mit nach Hause genommen hat, das in dem Land nach jeder Mahlzeit gepflegt wird. Dabei legt eine der Personen am Tisch die Hände kelchförmig aneinander und spricht gute Segenswünsche für die Gastgeber aus.
„Das war sehr eindrücklich“, sagt der stellvertretende BRK-Kreisvorsitzende. So hatte also nicht nur Stefan Paa unvergessliche, emotionale Erlebnisse in der Ferne…
Hintergrund: Die BRK-Reise nach Kirgisistan