Knietiefer Schlamm bringt in Wacken keinen Sanitäter aus der Ruhe

Andrea Lange
Mit Daniel Schreiner, Laura Fabienne Gasthofer, Diana Bachmeier und Frank Betthausen (von links) nahm in diesem Jahr ein Quartett aus Cham die rund 760 Kilometer lange Anreise auf sich, um sich in den ganz normalen Metal-Wahnsinn zu stürzen.

Nach tagelangem Dauerregen verwandelten sich die Wiesen beim Wacken Open Air 2025 in eine „Wattlandschaft“ aus dunkelbraunem Morast. Mittendrin in der Schlammschlacht beim weltgrößten Heavy-Metal-Festival: vier Aktive des BRK Cham! „Metalheads“, sagt Diana Bachmeier, die ihre Premiere im hohen Norden erlebte, „sind gefühlt die freundlichsten und entspanntesten Menschen auf dem Planeten. Egal, wo ich vorher im Sanitätsdienst war: So etwas habe ich noch nicht gesehen“.

Von Frank Betthausen

Wacken. Nach Hitze und Staub im vergangenen Jahr zeigte der raue Norden heuer zur Abwechslung seine andere Seite. Seine wahre! Nach ergiebigen Regengüssen verwandelte sich das Gelände des Wacken Open Airs (W:O:A), des größten Heavy-Metal-Festivals der Welt, zwischen dem 30. Juli und dem 2. August wieder einmal in eine „Wattlandschaft“ aus dunkelbraunem Morast. 

Bis zu den Knien sanken die 85 000 Besucher und die rund 550 Angehörigen des Wacken Rescue Squads – den Sanitätsdienst organisierte zum 19. Mal der kleine DRK-Ortsverein Kaltenkirchen – teils im Matsch ein. Wer zu lang an einer Stelle stehenblieb, hatte an manchen Tagen Probleme, sich mit seinen Einsatzstiefeln aus dem Dreck zu befreien.

Mittendrin in der Schlammschlacht im Landkreis Steinburg (Schleswig-Holstein), die weder die Musikfans noch die Mitglieder der versammelten Hilfsorganisationen wirklich schrecken konnte, waren erneut auch Chamer BRK-Aktive.

Die Aufregung legt sich schnell

Mit Laura Fabienne Gasthofer, Diana Bachmeier, Daniel Schreiner und Frank Betthausen war es in diesem Jahr ein Quartett, das in seinem Urlaub die rund 760 Kilometer lange Anreise auf sich nahm, um sich ehrenamtlich in den ganz normalen Metal-Wahnsinn zu stürzen.

Bachmeier erlebte dabei ihre Wacken-Premiere. „Ich habe mir anfangs nicht vorstellen können, wie das abläuft. Man ist ein wenig aufgeregt, weil man nicht weiß, was auf einen zukommt. Aber: Es hat sehr viel Spaß gemacht und man wird dort aufgenommen wie in einer Familie“, sagt die 28-jährige Rettungssanitäterin.

„Die Leute kommen auf einen zu und reden einfach. Und du bekommst ganz oft Dinge zu hören wie: Ihr macht einen geilen Job, danke, dass Ihr da seid!“ 

Diana Bachmeier, Rettungssanitäterin

Die Eschlkamerin war beim W:O:A zusammen mit ihrem Freund Nico Klingseisen im Dienst. Der 26-Jährige ist gelernter Notfallsanitäter und engagiert sich ehrenamtlich beim BRK Regensburg. 

Wie so viele Debütanten vor ihnen machten die beiden sehr bald ihre ganz eigenen, prägenden Erfahrungen mit den Festival-Besuchern. „Metalheads“, sagt Bachmeier, „sind gefühlt die freundlichsten und entspanntesten Menschen auf dem Planeten. Egal, wo ich vorher im Sanitätsdienst war: So etwas habe ich noch nicht gesehen“.

So erlebte es die BRK-Angehörige mehr als einmal, dass sie Bilder von sich und ihrem Partner machen wollte und sich plötzlich schwarz gekleidete Metaler in Photobombing-Mission gut gelaunt links und rechts neben sie stellten. 

„Das ist ganz normal“

„Das ist ganz normal. Die Leute kommen auf einen zu und reden einfach. Und du bekommst ganz oft Dinge zu hören wie: Ihr macht einen geilen Job, danke, dass ihr da seid!“, berichtet die 28-Jährige.

Bei all dem bestechen viele der Festival-Gäste selbst durch große Hilfsbereitschaft. So sprangen Bachmeier, die von Donnerstag bis Sonntag jeweils von 15 bis 3 Uhr im Schichtplan eingetragen war, in einem Einsatz zwei Besucher zur Seite.

Zusammen mit zwei Kolleginnen hatte sie eine Patientin versorgt. Da sich die Frau partout nicht auf die mitgeführte Offroad-Trage mit den großen Rädern legen wollte, mussten die beiden Sanitäterinnen sie unterm Gehen im Schlamm stützen.

Bachmeier zog den „Hoppler“, wie das Fahrgestell genannt wird, mühsam hinterher und kämpfte irgendwann mit ihren Kräften. Zwei Metalheads bemerkten das, sprachen sie an und schoben den Wagen für sie bis zum Behandlungsplatz, wo das DRK Kaltenkirchen ein „Krankenhaus auf dem Acker“ betreibt.

„In Wacken hilft jeder jedem“, meint die ehrenamtliche BRK-Kraft beeindruckt – und bezieht diese Aussage auch auf das gesamte Team. „Die haben alle den gleichen Schlag“, sagt sie und lacht. 

Ihre Aussage ist wenig verwunderlich, war sie doch an allen Einsatztagen an der Unfallhilfsstelle auf dem Infield, dem riesigen Areal vor den beiden Hauptbühnen, eingeteilt. Dort geht traditionell eine Rescue-Squad-Truppe mit besonders guter Laune und extra viel Spaß ihrer Arbeit nach. 

Andrea Lange
Spaß bei der Arbeit: Diana Bachmeier (rechts) und Laura Fabienne Gasthofer lieben die gute Stimmung an der Unfallhilfsstelle auf dem Infield.

Der Bereich für die Helfer ist eingezäunt, was die eingesetzten Kräfte seit Jahren unter lautstarken „Määäähs!“ immer neue Albernheiten zum Thema „Schafherde“ ersinnen lässt. „Man hat einfach gute Laune, wenn man da reinkommt. Wir nehmen dich auf, wir haben dich gern – so fühlt sich das an, wenn man da reingeht“, erzählt Bachmeier, nach deren Worten trotzdem „jeder genau weiß, was er zu tun hat“. 

Eine Aussage, die ihr Lebensgefährte Nico Klingseisen nur bestätigen kann. Im Ernstfall wisse jeder, was zu tun ist. „Du triffst in diesem Sanitätsdienst überall wirklich fähige, erfahrene Leute“, sagt er.

Einer von ihnen ist Daniel Schreiner. Der 34-Jährige erlebte sein achtes Wacken und kann nicht mehr von dem Festival lassen. „Es ist tatsächlich so: Beim ersten Mal möchte man die Musik hören, beim nächsten Mal fährst du wieder hin, damit du die Leute aus dem Vorjahr triffst und wegen der Musik – und irgendwann bist du nur noch wegen der Menschen dort und weil du tolle Arbeit bei entspannter, guter Hintergrundmusik machen kannst“, sagt er.

Wertvolle Führungserfahrung

Ein zweiter wichtiger Grund für den Notfallsanitäter aus Furth im Wald ist, dass er beim W:O:A wertvolle Führungserfahrung sammeln kann. Das Festival sei der perfekte Ort dafür. Es gebe eine Gesamteinsatzleitung, mehrere Einsatzabschnitte, Stabsarbeit… „Du verinnerlichst dort oben Führungsstrukturen“, sagt Schreiner.

Im hohen Norden war das für ihn 2025 in einer Weise möglich wie nie zuvor. Der 34-Jährige trug während seiner Schichten auf dem Infield – der Further war von Mittwoch bis Samstag immer von 8 bis 20 Uhr gefordert – erstmals als Abschnittsleiter Verantwortung. „Da war die Aufregung durchaus etwas höher“, sagt er. 2024 hatte er noch die Rolle des Führungsassistenten bekleidet.

Fast schon wie Verwandte

Auf diesen Posten rückte Philipp Grosse aus Fürstenfeldbruck nach, den Schreiner im vergangenen Jahr kennengelernt hatte. „Mit ihm hatte ich jemanden an der Seite, mit dem ich mich auf Bayerisch unterhalten konnte, wenn‘s pressiert hat“, erzählt er mit einem Lachen. Die Zusammenarbeit? Auch fachlich einwandfrei! „Ein paar Kollegen haben sogar gefragt, ob wir miteinander verwandt sind, so gut hat das geklappt“, erzählt Schreiner.

Laura Fabienne Gasthofer, die bei ihrem dritten W:O:A ebenfalls wieder ins Infield geschickt wurde, verbrachte abermals eine „urwitzige“ Zeit im hohen Norden. „Es hat unheimlich Spaß gemacht. Es war nass, aber das konnte uns die Laune nicht vermiesen“, sagt die Furtherin.

Für die angehende Rettungssanitäterin fühlte sich der Dienst erneut so an, als habe sie ihre Familie wiedergetroffen. „Hinterher ist man immer traurig, dass man all die Leute ein Jahr lang nicht mehr sieht. Ich freue mich jetzt schon wieder auf 2026.“

„Jetzt habe ich das Festival zum ersten Mal unter Realbedingungen mitgemacht und durfte mir die Einsatzhose an den Stiefeln auch mal mit Frischhaltefolie gegen den Dreck umwickeln.“ 

Frank Betthausen, Pressesprecher

Frank Betthausen
Auch dem Fotografen ruft die „Schafherde" auf dem Infield gerne einmal ein lautes „Määääh“ entgegen. Daniel Schreiner (in der blauen Weste) fungierte im Bereich der Hauptbühnen in diesem Jahr erstmals als Abschnittsleiter.

Die Freude darüber, Teil der Wacken-Familie sein zu dürfen, gab Gasthofer heuer auf besondere Weise ans Team zurück. Dank der 20-Jährigen, die für ihr Leben gerne digital zeichnet, nahmen reihenweise Aktive selbst kreierte Aufkleber aus dem Sanitätsdienst mit nach Hause.

Exakt 926 Sticker – insgesamt zwölf Motive – hatte die junge Frau am iPad gestaltet und drucken lassen. Am Tag ihrer Abreise holte sie die letzte Lieferung an einer Paketstation in ihrer Heimatstadt Furth im Wald ab.

Mit einer Idee ging es los…

Die Idee dazu war ihr rund fünf Wochen vor dem Festival gekommen, als in den sozialen Medien das Thema Patches aufgeploppt war. Noch in der gleichen Nacht machte sich Laura an ihrem Tablet an die Arbeit. „Mit einer Idee ging es los“, erzählt sie. „Am Ende waren es sechs Patches im Mini-Format und zwölf Sticker-Themen.“ 

Für das Team im Infield kreierte sie Schaf-Motive, für die Truppe auf dem Behandlungsplatz sollte es Kuh Hildegard sein. Dazu kamen kleinere, allgemein gehaltene Wacken-Aufkleber. Ihre Kollegen rissen ihr die „Kunstwerke“ wie heißbegehrte Gummibärchen aus der Hand.

Der vierte Chamer im Bunde, Frank Betthausen, „freute sich schon fast darüber, Wacken endlich einmal in Matsch und Dreck sehen zu dürfen“. 2022 und 2024 sei es teilweise extrem heiß und staubig gewesen. „Jetzt habe ich das Festival zum ersten Mal unter Realbedingungen mitgemacht und durfte mir die Einsatzhose an den Stiefeln auch mal mit Frischhaltefolie gegen den Dreck umwickeln“, meint er mit einem Schmunzeln.

Gelassenheit an allen Orten

Ganz im Ernst schiebt der 49-jährige Rundinger, der beim BRK in Cham und beim BRK-Bezirksverband Niederbayern/Oberpfalz als hauptamtlicher Pressesprecher arbeitet, nach: „Ich war überrascht, wie gelassen die Besucher und wie gut organisiert die Sanitätsdienst-Verantwortlichen mit den Bedingungen umgegangen sind. Das wirft dort oben keinen aus der Bahn.“

Wie in den Jahren zuvor war Betthausen als Redakteur im Backoffice des DRK-Camps tätig. Er verfasste Artikel für die Wacken Rescue News, eine täglich erscheinende Zeitschrift für die rund 550 Aktiven, unterstützte bei der Pressearbeit und bespielte die sozialen Medien mit Reels, Fotos und Texten.

Sollte er 2026 „wieder gebraucht werden“, gebe es für ihn bei aller Arbeit und allem Stress nichts zu überlegen. „Einmal Wacken, immer Wacken“, meint er – und ist sich mit seinen Chamer Mitstreitern einig. Alle wollen selbstverständlich wiederkommen.

Diana Bachmeier und Nico Klingseisen haben sogar vor, ihren Dienst zu verlängern. „Aber mit einem Tag Pause dazwischen“, sagt die 28-Jährige lachend. Denn: Wacken macht unglaublich Laune, ist zur rechten Zeit aber auch harte Arbeit. 

Erst recht dann, wenn der raue Norden seine andere, dreckige Seite zeigt…