Quereinsteiger mit „hoher Sozialkompetenz“

Frank Betthausen
„Das Schlimmste für mich ist Langeweile“, sagt der künftige Bad Kötztinger BRK-Heimleiter Daniel Reitmeier. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich mag nicht gerne etwas tun. Ich war Stress schon immer gewohnt.“

Der Chamer Daniel Reitmeier, der sich seit vielen Jahren bei der Bergwacht Furth im Wald engagiert und das Cave Gladium zu überregionaler Bekanntheit geführt hat, leitet künftig das BRK-Pflegeheim in Bad Kötzting. Der 53-Jährige bringt jede Menge Vorwissen in Sachen Betriebswirtschaft mit. Im Pflegesektor war er allerdings noch nicht „zu Hause“, weshalb er sich in Regensburg bis Januar 2028 aufwändig weiterqualifizieren muss.

Von Frank Betthausen

Bad Kötzting. Wer sich selbst als „rotes Pferd“ bezeichnet, dem ist bewusst, dass er auffällt – und dass er einen unerwarteten, ungewöhnlichen Schritt gegangen ist. Nach 20 Jahren als Projektleiter beim Zandter Elektronik-Konzern Zollner hat Daniel Reitmeier den Neuanfang gewagt und zum 1. Mai beim BRK als künftiger Leiter des Seniorenwohn- und Pflegeheims Bad Kötzting angeheuert. 

Seitdem macht er viele berührende Erfahrungen im Alltag mit den Bewohnern und findet sich als Quereinsteiger an der Katholischen Akademie Regensburg in komplexe Pflegethemen ein.

Der Bereich ist für ihn völliges Neuland, daraus macht der Chamer, der aus Furth stammt, kein Geheimnis. Der 53-Jährige bringt zwar jede Menge betriebswirtschaftliches Vorwissen und große Führungserfahrung mit. 

Im Pflegesektor war er allerdings noch nicht „zu Hause“, weshalb er sich an der Bildungsstätte der Caritas im Blockunterricht bis Januar 2028 über eine ganze Reihe von Ausbildungsschritten und Modulen zum Heimleiter weiterzuqualifizieren hat. 

Er musste sich „schnell outen“

19 „Schüler“ besuchen seine Klasse in der Bezirkshauptstadt: 17 Frauen und neben Reitmeier ein weiterer Mann. Alle – bis auf den Chamer – stammen aus der Pflege. „Ich habe mich da relativ schnell outen müssen“, sagt er und lacht. 

„Als ich beim ersten Mal erzählt habe, dass mein vorheriger Arbeitgeber die Firma Zollner war, wollten alle wissen, was das für ein Heimträger ist. Von dem hatte bisher keiner etwas gehört.“ Reitmeier muss wieder lachen. „Spätestens seit diesem Tag wissen sie, dass sie mit mir anders umgehen müssen. Aber: Es sind alle supernett. Ich fühle mich dort wirklich wohl.“

Der Zeitbedarf ist jedenfalls enorm. Über zweieinhalb Jahre hinweg stehen für Reitmeier zusätzlich zu seinem fordernden Job in Bad Kötzting alle vier bis fünf Wochen jeweils fünf Tage Blockunterricht in Regensburg auf dem Programm – Projektarbeiten und Prüfungen inklusive. „Und jemand, der 20 ist, lernt sich leichter als jemand mit 50“, sagt er.

Bis er seine rund 900 Stunden umfassende Ausbildung absolviert hat, bleibt sein Vorgänger Stefan Hupf – er steht gleichzeitig an der Spitze des BRK-Pflegezentrums Furth im Wald und coacht Reitmeier aktuell zwei bis drei Stunden täglich – kommissarischer Heimleiter. Der Neue firmiert auf dem Papier als Referats- beziehungsweise Verwaltungsleiter.

„Ich habe schon nach kurzer Zeit gemerkt, dass ich hier gut aufhoben bin. Ich bin einer, der gerne mit Leuten zu tun hat. Und diese Aufgabe lebt vom Kontakt zu den Menschen und davon, dass jedes Gespräch mit Emotionen zu tun hat.“ 

Daniel Reitmeier

Mit Blick auf das Pensum, das er seit dem Wechsel zum BRK vor bald drei Monaten zu stemmen hat – in seine Verantwortung fällt auch die angegliederte Pflegestation am Krankenhaus –, lautet für den 53-Jährigen die Devise: raus aus der Komfortzone! „Ich habe am Anfang gezweifelt, weil ich mir nicht sicher war, ob ich das Richtige mache“, meint Reitmeier. 

„Aber ich habe schon nach kurzer Zeit gemerkt, dass ich hier gut aufhoben bin. Ich bin einer, der gerne mit Leuten zu tun hat. Und diese Aufgabe lebt vom Kontakt zu den Menschen und davon, dass jedes Gespräch mit Emotionen zu tun hat.“

So verwundert es wenig, dass er schon nach kurzer Zeit viele „Freundschaften“ mit den Senioren in der Hauser Straße geschlossen hat, die bis heute herzlich auf ihn zugehen und gerade in der Anfangszeit neugierig-interessiert zu seiner Person nachgefragt haben. 

„Ich möchte viel kommunizieren und das Ohr nah dran haben – sowohl, was das Personal als auch was die Bewohner betrifft. Das kannst du nur, wenn du auf die Stationen gehst“, sagt der 53-Jährige, der bei Zollner in der Elektronik-Entwicklung beschäftigt war.

Dass er den größten Arbeitgeber im Landkreis Cham nicht im Unfrieden verlassen hat – diese Botschaft ist ihm wichtig. „Das hat den Wechsel auch so schwer gemacht. Ich habe mich wohlgefühlt mit und bei dem, was ich gemacht habe“, erzählt er. „Andererseits habe ich mir gesagt: Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal etwas anderes zu tun.“

Katharina Köppl
BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner (links, hier bei der offiziellen Begrüßung des neuen Heimleiters in der Hauser Straße) hält Daniel Reitmeier für eine Persönlichkeit, die auf Menschen zugehen könne. Mit auf dem Bild Pflegedienstleiterin Martina Berzl und BRK-Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner (rechts)

Als er die Stellenanzeige des BRK im Internet entdeckte, dachte er sich: „Wow, wenn ich mich selbst beschreiben müsste, wären es genau diese Punkte“. Das Einzige, was ihm für eine Bewerbung fehlte, war der pflegerische Hintergrund. 

Reitmeier riskierte es trotzdem – und überzeugte Kreisgeschäftsführer Manfred Aschenbrenner und die Entscheider in Cham. Nicht zuletzt durch seine „extrem hohe Sozialkompetenz“ und seine Vorgeschichte im Ehrenamt und beim Roten Kreuz, wie Aschenbrenner verdeutlicht…

Reitmeier hatte „schon immer das Helfer-Gen“, was ihn vor Jahren in die Bergwacht-Bereitschaft Furth im Wald eintreten ließ. Lange Zeit engagierte er sich beim KID Berg, dem Kriseninterventionsdienst der Bergwacht Bayern. Heute bringt er sich als Vorsitzender des Fördervereins der Further Bergretter ein.

Was seinen beruflichen Werdegang angeht, wäre er als junger Mensch um ein Haar in der Branche gelandet, in der er seit Mai tätig ist. Nach der Realschule hätte er gerne eine Ausbildung als Krankenpfleger begonnen. Aber: Sein Vater, der eine Spedition hatte, brachte ihn davon ab. 

Er bezeichnet sich als „Workaholic“

Reitmeier schlug den Weg als Speditionskaufmann ein und arbeitete längere Zeit beim Logistik-Unternehmen Militzer & Münch in Hof an der Saale. Nach einer Zwischenstation bei der Elektronikfirma Deltec verschlug es ihn zu Zollner, wo er über die Kolping-Akademie und die Industrie- und Handelskammer eine betriebswirtschaftliche Ausbildung nachschob. 

Der 53-Jährige, der in seiner Heimatstadt Furth im Wald an maßgeblicher Stelle das Historien-Spektakel Cave Gladium mit aufgebaut hat und sich früher in der Regie des Kinderdrachenstichs einbrachte, bezeichnet sich selbst als „totalen Workaholic“. 

Mit einem Schmunzeln erklärt er: „Das Schlimmste für mich ist Langeweile. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich mag nicht gerne etwas tun. Ich war Stress schon immer gewohnt.“

Mit einem Kompagnon baute er so parallel zu seiner Beschäftigung bei Zollner den Betrieb Eventable auf. Die Chamer Firma kümmerte sich um die Organisation von Veranstaltungen und unterstützte unter anderem den Vermarktungsverein LandGenuss Bayerwald.

Erfahrung im Paketdienst-Geschäft

60 Angestellte wickelten unter ihrem Dach darüber hinaus für Hermes die Paketdienst-Geschäfte im Landkreis und weit darüber hinaus ab. Vor rund einem Jahr übergaben Reitmeier und sein Partner das Unternehmen.

Von seinen Erfahrungen als Geschäftsführer bei Eventable, meint der künftige Heimleiter, profitiere er beim BRK extrem – vor allem in Sachen Personalverantwortung. Für ihn eine wichtige Grundlage! Denn: Die Umstellung sei eine gewaltige gewesen. „Ich war wirklich von einem Tag auf den anderen in einer ganz anderen Materie“, sagt Reitmeier, der nach eigenen Angaben „ein super Team“ aus rund 120 Mitarbeitern in allen Bereichen und ein Haus übernommen hat, „in dem es läuft“. 

Dass der „Leidensdruck“ in der Pflege größer ist als in anderen Berufen, ist dem 53-Jährigen schnell bewusst geworden. „Dieses Feingefühl, das man in dieser Branche braucht, das ist etwas ganz Besonderes – die Verantwortung, die du trägst, um diesen Dienst am Menschen zu leisten… Es gehört so viel mehr dazu, wenn man in einem Pflegeheim arbeitet, als um 8 zu kommen und um 5 zu gehen.“

„Familie ist so wichtig – bei Rückschlägen oder Schicksalsschlägen merkst du erst, wie essenziell dieser Rückhalt ist.“ 

Daniel Reitmeier

Katharina Köppl
Bis Daniel Reitmeier seine rund 900 Stunden umfassende Ausbildung absolviert hat, bleibt sein Vorgänger Stefan Hupf (links) – er steht gleichzeitig an der Spitze des BRK-Pflegezentrums Furth im Wald – kommissarischer Heimleiter. Der Neue firmiert auf dem Papier als Referats- beziehungsweise Verwaltungsleiter. In der Mitte die langjährige Pflegedienstleiterin Martina Berzl

Das Allerwichtigste sei es in diesem Zusammenhang – und hierin sehe er seine ureigenste Aufgabe –, den Zusammenhalt zu stärken und die Leute so gut wie möglich einzubinden. Zumal vielen Menschen bei aller Aufmerksamkeit, die das so wichtige Umfeld der Pflege während der Corona-Zeit erhalten habe, bis heute nicht bewusst sei, was das Personal Tag für Tag leiste.

„Ich sehe mich in der Rolle und Aufgabe, die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür zu steigern und die Schnittstelle nach außen zu sein“, sagt Reitmeier, der sich dem Thema trotz seiner fehlenden Vorerfahrung an einer Stelle persönlich nahefühlt. 

Sein Vater, der vor wenigen Wochen gestorben ist, war am Ende seines Lebens schwer dement und pflegebedürftig. „Deswegen kann ich mich oft im Guten wie im Schlechten in das hineinfühlen, was das mit den Menschen und den Angehörigen macht“, sagt er. 

Er hat einen ersten großen Wunsch

Einer seiner „Herzenswünsche“, den er noch dazu in seine konzeptionelle Arbeit an der Katholischen Akademie Regensburg einbringen kann, soll passenderweise ein Demenzgarten in einem der Lichthöfe sein, den er in Bad Kötzting bauen möchte. „Ich habe hier einen von vielen Vorschlägen meiner Mitarbeiter aufgenommen“, berichtet er.

Bei allen Herausforderungen, die ihn in der dortigen Einrichtung erwarten, will Reitmeier als Familienmensch sein Privatleben nicht aus den Augen verlieren. „Das ist mir ganz, ganz viel Wert. Die Familie ist mein Halt – meine Frau und die beiden Kinder“, sagt er. 

Seine Töchter (22 und 19 Jahre alt) seien zwar inzwischen ausgezogen, fänden aber immer wieder den Weg nach Hause. „Familie ist so wichtig – bei Rückschlägen oder Schicksalsschlägen merkst du erst, wie essenziell dieser Rückhalt ist“, betont der Further.

Wie er ansonsten entspannen und abschalten kann? Reitmeier hat vor ein paar Jahren Camping-Urlaube mit dem Wohnmobil zu schätzen gelernt. Mit seiner Frau fährt er gerne in die Berge und zum Mountainbiken.

Aber nie lange! Schließlich hat er unglaublich viel Freude an der Arbeit – und an seiner Rolle als „rotes Pferd“ und Quereinsteiger…
 

Hintergrund: Jemand, der auf Menschen zugehen kann

  • Statement: BRK-Kreisvorsitzender Theo Zellner hat als ehemaliger Bad Kötztinger Bürgermeister nach eigenen Angaben schon immer eine „ganz besondere Beziehung“ zum 1994 errichteten Seniorenwohn- und Pflegeheim in der Hauser Straße.
     
  • Verantwortung: Der 76-Jährige freut sich, mit Daniel Reitmeier eine Persönlichkeit fürs BRK gewonnen zu haben, die es seit jeher gewohnt sei, Verantwortung zu tragen und auf Menschen zuzugehen. „Das ist heute mindestens genauso wichtig wie alles, was an Faktenwissen dazugehört“, sagt der Altlandrat.
     
  • Motivation: Die Häuser des BRK im Landkreis hätten einen hervorragenden Ruf – was viel mit guter Führung und Motivation zu tun habe. „Auch hier bringt Daniel Reitmeier alles mit, was er für seine Aufgabe benötigt“, meint Zellner.
     
  • Kontinuität: Er gehe davon aus, dass der Further in die Fußstapfen seiner erfolgreichen, engagierten Vorgänger Andreas Leitermann und Stefan Hupf treten werde. Auch Pflegedienstleiterin Martina Berzl sei schon lange im Amt. „Um diese Kontinuität geht es uns beim BRK in besonderer Weise, betont der Kreisvorsitzende.