Wenn ein Helfer in der Not selbst auf Hilfe angewiesen ist

Dominik Lommer
Unter der Autobahnbrücke an der A9: „Was ich an diesem Tag mitgemacht habe, habe ich in dieser Form auch zum ersten Mal erlebt“, sagt BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer.

BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer hatte nach einer Reifenpanne, die sich auf der A9 bei Gera ereignete und auch anders ausgehen kann, viele „Engel“ um sich.

Von Frank Betthausen

Cham. Engagierte Helfer in der Not für einen Helfer in der Not: So lässt sich mit wenigen Worten beschreiben, was BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer nach einer Autopanne auf der A9 in Thüringen erlebt hat. 

Der 46-Jährige war auf der Rückfahrt von einer dienstlichen Tagung in Berlin bei brütender Hitze kurz vor dem Hermsdorfer Kreuz in einer Gefahrenzone mit seinem BMW X1 liegengeblieben. Der linke Hinterreifen an seinem Einsatzleiter-Fahrzeug hatte plötzlich sämtliche Luft verloren…

Mehr als ein halbes Dutzend „Unfall-Engel“ standen dem Chamer BRK-Mitarbeiter zur Seite, so dass er die Heimreise nach rund viereinhalb Stunden fortsetzen konnte. „Alle Beteiligten waren total nett und haben sich wirklich gekümmert. Da darf man schon einmal öffentlich Danke sagen“, meint Lommer.

Es ist 17.40 Uhr, als sich an diesem Tag bei Tempo 160 auf der Autobahn bei Gera die Reifendruckkontrolle meldet. „Für mich ist sie ein Lebensretter“, sagt der stellvertretende BRK-Kreisgeschäftsführer. 

Eine Sache von Sekunden

„Das waren vielleicht 15 Sekunden, in denen ich die Warnung am Display hatte und mir gedacht habe: Naja, das ist ja klar, draußen hat es knapp 40 Grad, da gibt es sicher irgendeine Fehlfunktion.“

Sicherheitshalber verringert der 46-Jährige dennoch seine Geschwindigkeit. Er steuert seinen BMW auf die rechte Spur und schließlich auf den Standstreifen, der an dieser Stelle extrem eng ist. 

„Bis ich stehengeblieben bin, war der Reifen hinten links leer. Ein Loch! Wenn du da mit 180 Sachen weiterbretterst, weil du diese Warnung nicht hast, brauchst du die ganze Autobahnbreite, um den Wagen zum Stehen zu bringen. Das kann auch anders ausgehen“, ist sich Lommer seines Glücks bewusst. 

Polizei kommt zufällig vorbei

Während er sich noch gedanklich sortiert, kommt zufällig eine Streife der Autobahnpolizei vorbei. Die Beamten halten auf dem schmalen Seitenstreifen an, erkundigen sich bei ihrem „Blaulicht-Kollegen“ nach den Umständen seines Stopps und sichern ihn ab, damit er – mit dem Rücken zur Autobahn – das Reifen-Reparaturset anwenden kann.

„Es war allerdings ziemlich schnell offensichtlich, dass das nichts bringt. Das Loch war zu groß“, erzählt der Rettungsdienstleiter. So eskortieren ihn die Polizisten über ein kurzes Stück hinweg zu einer Autobahnbrücke. „Der Streifen neben der Fahrbahn war an diesem Punkt fast doppelt so breit und ich konnte dort – im Schatten noch dazu – sicher stehenbleiben“, erzählt er.

In den nächsten knapp zwei Stunden legt Lommer sein Smartphone und sein Pad kaum noch aus der Hand. Kurz vor Feierabend setzt er sich mit sämtlichen Händlern in der Umgebung in Verbindung – keine der Firmen hat einen passenden Reifen auf Lager.

„Alle, mit denen ich an diesem Tag Kontakt hatte, waren supernett und würden das für jeden anderen auch tun. Das war mein Eindruck. Da hat der Rettungsdienst-Bonus keine Rolle gespielt.“ 

BRK-Rettungsdienstleiter Dominik Lommer

Dominik Lommer
Um 19.45 Uhr stand der X1 aus Cham auf dem Abschleppwagen. Bis 22 Uhr dauerte es, ehe Dominik Lommer seine Heimreise fortsetzen konnte.

Wenige Minuten nach 18 Uhr meldet er sein Problem online an den Leasing-Anbieter des BRK. Der Fall wird an den BMW-Mobilitätsservice übergeben, der nach einigen An- und Rückfragen den Pannendienst verständigt. Alles läuft völlig unkompliziert, überall trifft der Rotkreuzler auf große Hilfsbereitschaft…

Es ist 19.45 Uhr, als Julian Weber vom Autodienst Hermsdorfer Kreuz bei ihm eintrifft, um den X1 mit dem Chamer Kennzeichen abzuschleppen. Lommers Hoffnung, über den Betrieb einen neuen Reifen zu bekommen, zerschlägt sich ebenfalls.

Weber bringt seinen Kunden aus der Oberpfalz zum BMW-Autohaus Kühnert in Gera. Dort ist Werkstattleiter Torsten Matthes noch im Dienst. „Ich habe ihm gesagt: Du bist meine Rettung!“, berichtet Lommer mit einem Schmunzeln. „Aber: Auch bei Kühnert hatten sie den richtigen Reifen nicht vorliegen. Er musste erst bestellt werden.“

Freundlich und hilfsbereit

Matthes öffnet ihm trotzdem „eine wichtige Tür“. Er lässt seine Kontakte spielen und setzt sich zu später Stunde mit der Firma Autoglas Gera in Verbindung. Dort wird dem 46-Jährigen ein Leihwagen zur Verfügung gestellt, mit dem er um 22 Uhr endlich die Weiterfahrt antreten kann. 

Die nötigen „Transfers“ übernimmt noch einmal Julian Weber, der Rot-Kreuz-BMW bleibt bei der Firma Kühnert auf dem Hof stehen.

„Natürlich kannst du in der Rückschau sagen, dass die alle nur ihren Job gemacht haben“, meint Lommer. Trotzdem hätten ihn die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Akteure beeindruckt. „Und das darf man in diesen Zeiten bewusst einmal herausstellen“, meint er. 

Was ihn besonders freute und überraschte: Während er auf den Pannendienst wartete, kamen die Beamten der Autobahnpolizei, die ihm zuvor Geleitschutz gegeben hatten, extra noch einmal bei ihm vorbei, um sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen. 

Eine weitere Streife hält an

Und nicht nur das: Der Zufall wollte es, dass eine weitere Streife der Thüringer Polizei die Stelle unter der Autobahnbrücke passierte und bei ihm nachfragte, ob alles in Ordnung sei. Wie auch ein Katastrophenschutz-Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, der dem Rot-Kreuz-Beschäftigten seine Hilfe anbot… 

„Dass die das nicht einfach als normale Panne abgetan haben, fand ich beachtlich“, sagt Lommer, der überzeugt davon ist, dass die hilfsbereite Art der Beteiligten nichts mit dem Umstand zu tun hatte, dass er mit einem Einsatzfahrzeug unterwegs war. 

„Alle, mit denen ich an diesem Tag Kontakt hatte, waren supernett und würden das für jeden anderen auch tun. Das war mein Eindruck. Da hat der Rettungsdienst-Bonus keine Rolle gespielt.“

Sein letzter Dank nach den Geschehnissen an der A9 gilt Sigi Iglhaut, „dem alten Haudegen“. Der langjährige Aktive der Rot-Kreuz-Bereitschaft Cham 2 übernahm in der gleichen Woche den Rücktransport des Leihwagens und die Abholung von Lommers X1. BMW Kühnert schickte Iglhaut dafür einen Mitarbeiter entgegen. Bei Hof wickelten er und Iglhaut den Autotausch ab.

Der X1 rollt seitdem mit einem neuen Hinterreifen über Chamer Straßen und hat sich längst wieder im Einsatz bewährt…